affirmation und widerstand

Be Kind Rewind / Abgedreht, USA 2007
Michel Gondry, Regie

Eine Studie über Kommunitarismus: It takes a village to film a film. Gondrys überanspielungsreicher, dabei wehmütiger Hardware- und Softspotfilm, in dem die Leute “Alone in the Dark” geschwedet haben wollen und die “JLG industries” das Bedrohungspotential stellen, sollte bei seinem Erscheinen auf einem Datenträger in die heimische Videothek einsortiert werden - immer griffbereit -, denn auch da gehört er hin.

“Die Lebensdauer eines einzelnen Films ist kurzfristig”, schreibt Rudolf Harms, “wenn er oft benutzt wird. Es muß daher das Bestreben sein, innerhalb dieser eng begrenzten Lebensdauer möglichst vielen Individuen jedesmal seine Werte mitzuteilen.

Diesen Massengenuß vermittelt das Lichtspielhaus. Insofern schließt sich der Film unmittelbar an die bisherigen Kollektivdarbietungen im Theater-, Konzert-, Vortrags- und Bildersaal an.

Dies Bestreben nach Massenzusammenschluß ist überhaupt ein Zeichen unserer heutigen Kultur. Sombart kennzeichnet diesen Zug treffend mit dem Ausdruck eines ‘Omnibusprinzips unseres heutigen Kulturdaseins’.

Zu erwähnen bleibt, daß der Film infolge seines kollektiven Charakters außerstande ist, etwa wie ein Buch nach Belieben aus dem Bücherschrank geholt und gelesen wird, jederzeit dem Einzelnen, der Bedürfnis darnach hat, vorgeführt zu werden. Die meisten Filme laufen einmal im ganzen Reiche, um dann auf immer in die Filmarchive zu wandern.” (Philosophie des Films, Leipzig 1926)

black box usa

Young Warriors, USA 1983
Lawrence D. Foldes, Regie

Das Recht des Opfers auf Bestrafung des Täters - als Problem. Neben der soziologischen Schiene gibt es in Foldes’ Film den mythischen Grund, der - was die Selbstreflexion des Films bestätigt - von der Jagd nach einem Ungeheuer spuckenden schwarzen Drachen handelt. Die Jäger bemerken erst, als es zu spät ist, dass sie mit ihrer Mission keinen Erfolg haben können, es sei denn, der Erfolg wäre, selbst verschlungen zu werden - und danach sieht es aus. Die Konfrontation der Soziologie der Gewalt mit der Psychologie der Rache führt zur Aufhebung. Das Anrufen der Eltern hilft rein gar nichts, verklingt ungehört, gleich den Rufen der Partnerinnen. Ein ganzer Jahrgang junger, vitaler Kerle geht den Bach runter, denen Vietnam doch eigentlich nur ein fernes Rauschen war. Rebel without or with a cause macht keinen Unterschied.

Man reagierte allzu blasiert, würfe man “Young Warriors” so etwas wie ‘inszenatorische Mängel’ vor. Vor welchem Spiegel fordert man wahrhaftige Plastizität? Von der Bedeutungsfülle der Küste wird dieses geradezu abstrakte Artefakt umsäumt, das noch in seinem Abspann mehr Überraschungen bereithält als sonst ganze Filme.

dinosaurierschlafanzüge

Home Alone / Kevin - Allein zu Haus, USA 1990
Chris Columbus, Regie

Spannende Variation des last-man-on-earth-Themas, der gleichen Struktur folgend und bis in Details hinein. Entsprechend christlich geprägt ist “Home Alone” denn auch. Weihnachten ist ja sowieso, samt notwendigem Kirchbesuch und mit all den Dekorationen, z.B. Engelkerzenständern. John Heard liest im Flugzeug in einem Buch mit dem Titel “Nobody’s Angel” (der Darsteller hatte dieses in den Film eingebracht, nicht Autorproduzent Hughes oder Regisseur Columbus, dies nebenbei). In Anspielung freilich auf den Curtiz-Film lautet der Titel des scheinbaren klassischen Gangsterfilms, den Kevin sich heimlich reinzieht: “Angels with Filthy Souls”. Der Inhalt dieser Szene wie auch der Kommentar des Jungen, er sehe sich hiermit Mist an, gibt diese Analogie im Abgleich mit Curtiz Erlösungsvision zwar nicht her, jedoch vermögen Curtiz’ Kreuze ein Schlaglicht auf Columbus’ Engel zu werfen.

In der Anwendung medialer Strategien der Täuschung ist Kevin seinen Konterparts überlegen. Er weiß, er kann den Angelsfilm nicht einfach ablaufen lassen - das täuscht nichtmal Marv. Also seziert er den Ausschnitt, so dass dessen Ablauf dem Pizzaboten wie eine Interaktion mit Anwesenden vorkommen muss. Marv wiederum, der die selbe Sequenz ungeschnitten belauscht, wird durch Knallfrösche von der Gefährlichkeit des Maschinengewehrfeuers überzeugt. Selbst dessen krimineller Instinkt (”Eine der Stimmen kam mir bekannt vor …”) wird übertölpelt.

Ich war jedenfalls mal jung und in der Nachwendezeit hab ich die beiden “Kevin”-Filme wohl rein materialistisch aufgefasst.

“… in perpetual motion …”

The Darjeeling Limited, USA 2007
Wes Anderson, Regie

Am Ende hatte er mich dann doch.

“samples? mmmh!”

Stagecoach / Höllenfahrt nach Santa Fé / Ringo, USA 1939
John Ford, Regie

Eine kleine, gemischte Gruppe passiert per Postkutsche auf dem Weg von einem Ort zum anderen das Monument Valley. Verschiedene Aufgaben sind zu bewältigen, ein Fluss muss überquert, ein Indianerangriff bestanden werden. Von den Dynamiken innerhalb der Gruppe ganz zu schweigen.

Die Pferdestunts sind erstaunlich. Sie alle sind nach dem gleichen Muster ausgeführt: Im Vorwärtslaufen brechen die Pferde vorn ein, schlagen ein Rad, verlieren dabei die Reiter, beenden die Figur im Stand. Diese Dynamik hat Fords Kamera mehrere Male komplett eingefangen, nur einmal kommt der Schnitt zu früh. Überhaupt hat “Stagecoach” viele Schnitte. Umso gravierender wirken Einstellungen, die auf Gesichtern verweilen. Von diesen Portraits gibt es einige. Ein imposantes zeichnet Ford darüber hinaus vom Monument Valley, sein erstes; die Gesteinsformationen am Boden kontrastieren mit denen der Wolken. Was die Innenräume angeht, wird ähnlich verfahren: Hier steht das schlichte Fond der Kutsche mit seinen notwendigen Nah- und Großaufnahmen den diffizilen Raumkonstruktionen innerhalb der Gebäude gegenüber.

Diese Weite ermöglicht Bewegungen auch den Figuren, die von ihren Schauspielern nur schwer zu trennen sind. Den meisten gegenüber ist zumindest Respekt angebracht, einigen Hochachtung, anderen Zuneigung. Wenn Leute in “Stagecoach” keine Individuen sind, sondern innerhalb einer Gruppe auftreten, treten sie damit zurück, werden Karikaturen (wie die ‘werte Damenschaft’ oder die Kavallerie) oder funktionalisiert (wie die Indianer oder die Amüsiermeute). Das kann ich kaum anders denn als Einstellung am Fokus verstehen (und dabei den filmtechnischen Aspekt der Metapher betonen), denn ich kann grundsätzlich nicht anders, als “Stagecoach” mit einer Mischung aus Anerkennung und Zuneigung zu begegnen.

Auf eine Katze wird geschossen. Sie kommt davon.

“they sure don’t make pictures like that anymore” - do they?

The Omega Man, USA 1971
Boris Sagal, Regie

Dieser Eintrag könnte anspielungsreich auch heißen: “Die Antiquiertheit des Menschen”, oder wortspielerisch: “A manson family of man”, oder diskursorientiert: “Nach dem Bakterienkrieg”.

“The Omega Man” entkoppelt die Thematik des Biokrieges von seinen gesellschaftlichen Implikationen. Weniger steckt hinter dem last man on earth der Ausschluss von anderen - der Film funktionierte ja gar nicht, kämen da nicht noch welche hinzu -, vielmehr betont dieser Ausdruck den Fokus auf einem Mann, sein relatives Alleinsein in den Eröffnungssequenzen und sein loner-Sein überhaupt. Und es betont dessen Einzigartigkeit und Auserwähltheit. Der Omega wird der Alpha sein.

Die Auswirkungen des Bakterienkrieges sind die Grundlage für die Erzählung des Films; sie könnte auch eine andere haben. So hat auch die Suche nach dem Serum schlichte b-movie-Qualitäten.

Das Aufbruchsszenario, das sich früh andeutet - eben weil man den topos kennt -, ist das von der Kinderschar. Was seine religiösen Anspielungen angeht, die sich schließlich als das Thema des Films herausstellen, da geht hier einiges durcheinander. Entweder hätte ich es mir anders gewünscht, oder aber ich habe nicht genug investiert, das halbwegs konsistent verstanden zu bekommen. Andererseits ist dem “Omega Man” an Konsistenz nicht viel gelegen. Das scheint mir die Reibung zu begründen, die sich in der “Omega-Man”-Rezeption zeigt: Sagals Film hat, da er von Mathesons Roman ausgeht, viel gewonnen. Weil er seinen Einsatz nicht konzentriert ausspielt, verliert er viel. Anders gesagt: Die Faszinationskraft, die “The Omega Man” tatsächlich ausstrahlt, liegt im Stoff, nicht im Film begründet.

Die erste Matheson-Verfilmung mit Vincent Price habe ich nun nicht mehr gesehen; in die bald anlaufende dritte setzte ich Hoffnungen.

“radio’s wrong.”

1941 / 1941 – Wo bitte, geht’s nach Hollywood?, USA 1979
Steven Spielberg, Regie

Wie bei einer Tankstelle ein Funke ausreicht, sie letztlich in die Luft zu sprengen, so genügt in Kalifornien kurz nach Pearl Harbor ein verirrtes japanisches U-Boot, oder weniger noch (oder mehr): ein schwelendes Gerücht, um schließlich eine halbe Stadt in Schutt und Asche zu legen. Interceptor Commander Sam Fuller (”The Big Red One”, 1978/80) bringt es auf den Punkt: “Scheiß auf Sichtinformationen - das sind Japse!”

“Krieg der Welten” in Los Angeles. Irgendwann ruft tatsächlich einer: “Die Marsmenschen sind da!” Von einem Mann (Ned Beatty) heißt es, er sei verrückt geworden, weil er ein japanisches U-Boot hat auftauchen sehen. Doch gerade das stimmte. Wild Bill Kelso/John Belushi ist ein anderer “Verrückter”. Bei ihm, dem Jagdpiloten, trifft diese Zuschreibung jedoch grundsätzlicher. Dem Familienvater Beatty haben sie das Unheil bringende Geschütz aufgezwungen und in den Vorgarten gestellt; Belushi muss sich seinen Flieger redlich verdient haben. In einer schönen Szene zeigt sich: Er und Colonel “Madman” Maddox (Warren Oates) verstehen einander.

“It’s a mad, mad, mad world”. Es geht drunter und drüber. Ein U-Boot und zwei Flugzeuge sind die beweglichen Helden des Films. Letztere schmieren ab und als das japanische U-Boot abtaucht und gen Heimat zieht, da kann ein junger Amerikaner nicht anders und muss dies als Sinken verstehen. (Als aber die Sonne aufgeht über der Stadt, so will dieses Bild - wie mir scheint - an die japanische Kriegsflagge erinnern.) Zwei Mädchen brechen durch den aufgespannten Teppich und fallen in die Grube, ein Panzer versinkt im Meer. Das Mischwesen, ein fahrbares Geschütz, wird vom eigenen Rückstoß in ein Gebäude geschoben. Ich glaube, es war die Garage. Der abgefeuerte Schuss hingegen war durchs Wohnzimmer gegangen. Das fest Stehende/Feststehende gerät in Bewegung: Das Riesenrad und ein Haus fallen aus der Rolle, aus dem Rahmen und ins Wasser. Das sind Teile des Geräte-Arsenals von “1941″. Ein Kino, das heil bleibt, gehört auch dazu. Darin rührt Disneys fliegender Elephant “Dumbo” den General zu Tränen, während draußen schon der Tumult tobt.

Eine Heerschar bekannter Schauspieler ist nötig, um dieses Unheil anzurichten. In ihrer Verschiedenheit ergänzen sie einander; die jeweiligen Qualitäten werden so ausgespielt, dass maximaler Bruch erreicht werden kann. Dieser in Destruktion gewendete Aktionismus ist nicht die einzige Qualität des Films. Die komödiantische, die popkulturelle, die anspielungsreiche ergänzen das Bild. Anders als bei Stanley Kramers wilder Schatzsuche ist hier das Ganze nicht mehr als die Summe seiner Teile. Doch derer sind viele.

springen und schwimmen in italia

Viaggio in Italia / Reise in Italien, Italien/Frankreich 1954
Roberto Rossellini, Regie

Um es so zu sagen: Ich habe “Viaggio in Italia” zum ersten Mal gesehen, zwar leider nicht im Kino, jedoch von geliehener DVD. Das wirkte sich aus. Ich wechselte von der englischen auf die deutsche Tonspur und wieder zurück, ich skippte zurück, sah mir Bilder nochmal genauer an, überprüfte Beobachtungen, verglich die englischen mit den deutschen Dialogen, legte spätnachts schließlich eine Pause ein und verfuhr bei Wiederaufnahme wie am Tag zuvor. So sah ich den Film.

Ich konnte nicht anders. Das ist ja nun beileibe nicht mein Idealfilmschauverhalten. Aber auf diese Art und Weise musste ich mich vergewissern, dass diese ergreifende Reichhaltigkeit tatsächlich da ist. Darüber hinaus eröffnete diese, nunja, zerschossene Rezeption weiteres: Sie konnte nämlich “Viaggio in Italia” nichts anhaben, war dem Film vielleicht sogar angemessen. An Präsenz, an Sogkraft jedenfalls verlor er gar nichts, es war wie ein Schwimmen in Fülle, einer durch Schnitte oder Schüsse unteilbaren Substanz.

Jetzt muss ich mir die DVD doch noch kaufen, damit ich den Film immer wieder sehen kann, ein Leben lang. Denn genau dafür ist er gemacht, sein Kern ist das Verhältnis des Menschen zur Welt.

unsere kleine tankstelle

The Pertrified Forest / Der versteinerte Wald, USA 1936
Archie Mayo, Regie

Unser Schauplatz ist fast ausnahmslos eine Tankstelle in der Wüste Arizonas. Ein paar sind schon da, ein paar andere kommen hinzu. Bette Davis ist die Tochter des Eigners, Leslie Howard ihr plötzlich auftretender Schwarm, ein weitgereister, mittelloser Schreiber. Er bringt die weite Welt, geografisch und in Sachen Kunst. Humphrey Bogart, der Gangster, bringt den Konflikt und mit ihm die Beschleunigung. Er ist Amerika; Howard kennzeichnet seinen “rugged individualism”.

Die Herkunft des Films vom Theaterstück begründet seine klaren Konturierungen und Konstellationen, wir können auch von Setzungen und Differenzen sprechen. So kann Amerika unterschieden werden von Frankreich, der Strand von der Wüste, Football von Lyrik, Bogart von Howard. Kennzeichnend für das Drama ist auch hier, dass das eine das andere nicht ausschließt, sondern gerade die Schnittmengen und Verwischungen den Gehalt ausmachen. Das zeigt sich noch in Details der Inszenierung: Zum finalen Schusswechsel rücken Polizisten an, die ausnahmslos Cowboyhüte tragen, während Bogart und seine Bande die Tankstelle wie ein Fort oder eine Blockhütte verteidigen. Der alte Mann, dem die Geschichte seines Landes in den Knochen steckt und dem die Auskunftsfreude aus den Augen blinzelt, lässt seiner unglaublichen Geschichte von Jesse James die von Duke Mantee folgen.

Medien determinieren Kommunikation und begründen die moderne Gesellschaft, d.h. die Erzählung dieses Films. Eine Telegraphenleitung wird verlegt. Das Radio informiert passiv, das Telefon aktiv. Dokumente bergen und belegen. “The Pertrified Forest” ist heute bekannt für seinen ersten großen Bogart-Auftritt. Spannend ist daher, wie er im Film heraufbeschworen wird. In Etappen: Nachdem das Gerücht ausgerufen ist: “Duke Mantee kommt!”, sehen wir das Foto Bogarts auf der Titelseite der Zeitung, vom Alten hergezeigt als eine Beglaubigung. Der Auftritt Bogeys kann diesem Raunen zwar nur nachfolgen, doch ist es die Leistung des Schauspielers, dies auszuhalten und darüber hinauszugehen.

Am stärksten eingenommen wurde ich jedoch von Leslie Howards blendender Vorstellung, dieser ruhigen, hintergründigen, undurchschaubaren Art, und so versponnen lasziv. Bette Davis, die, was ich charmant finde, zwar die Gedichte François Villons sehr schätzt, aber nicht weiß, wie man den Namen ausspricht, ist eine Mademoiselle Bovary.

“The Pertrified Forest” basiert, wie gesagt, auf einem Theaterstück. In diesem spielten schon Howard und Bogart; Bogart gab seinen Duke Mantee, der so bedeutsam ist für vieles, was er on und off screen tat, noch einmal in einer Fernsehfassung, kurz vor seinem Tod und an der Seite Lauren Bacalls.

das verbarrikadierte dorf

The Village, USA 2004
M. Night Schyamalan, Regie

Ich konne es nicht lassen und wollte doch wenigstens mal reinschauen in die TV-Premiere von M. Night Shyamalans “The Village”, der mich schon im Kino so gefangen genommen hatte. Reinschauen, na klar. Natürlich kam ich nicht mehr davon los.

“The Village” ist ein Faszinosum von einigem Rang. Wie ich jetzt, einen Tag später, feststelle, ist es kein Film, der einen für Tage oder länger erfüllt. Das kann er gar nicht sein, zu vielen An-Sichten bietet er sich an. Was auch heißt, dass er durch Denken erschlossen werden muss, wenn die bannende Wirkung des ersten Mals verflogen ist. Die ist schaurig schön, und auch diesmal, trotz allen Wissens, hat der Film feine Härchen auf meinem Körper zu stimulieren gewusst.

Man begibt sich in “The Village” hinein. Es gleicht einer Gefangennahme, bietet aber Aussichten, die man draußen nie so konzentriert bekommen könnte, begleitet von einer unglaublich schönen Musik James Newton Howards. Man ist ein ausgesprochen priviligierter Beobachter, wenn man sich Shyamalans Film besieht. William Hurt - nur einer des ausnahmslos blendeneden Ensembles - spielt einen der Dorfältestens und einen Lehrer. Die Schichten der amerikanischen Geschichte sind durchwachsen mit Theorien zur Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, des Zusammenlebens, der moralischen Ausrichtung, der Bindung an die Natur, an die Instanzen, usw. usf. Viel davon konstituiert das, was wir “Americana” nennen. Die Geschichten der Schauerromantik gehört ebenso dazu wie, nicht zuletzt, das Kino. Dem Film glaubt man erst einmal alles. Nur darum kann “The Village” funktionieren, wie er intendiert ist. Umgekehrt beweist er seine Prämisse. Was hier so technisch klingt, ist Schönheit.

Der Titel dieses Eintrags verwandelt den Titel einer Kurzgeschichte von Ambroce Bierce. Natürlich passt er nicht ganz auf den beschworenen Film, erlaubt mir aber die Verbindung zu Bierce und die wiederum ist nicht weit hergeholt. Dessen Geschichte behandelt ebenso wie Shyamalans Film die (Nicht-)Grenze der Kultur zur Natur, die besondere Konstitution der Menschen an dieser Grenze, Öffnungen von Gebäuden, aufgebahrte Menschen und die Farbe Rot. Von der amerikanischen Lebensgeschichte Bierces und dem Blockhausmotiv in der amerikanischen Literatur und dem Film dieses Landes sei noch keine Rede … - Fast möchte ich sagen, “The Village” sei wie eine Probebohrung durch amerikanische Schichten, welche Momente von fast allem offenlegt und qua Ausschnitthaftigkeit vielfältige Verbindungen erlaubt.

Nicht zuletzt sei erwähnt, der große Kameramann Roger Deakins hat es hier wie wenige verstanden, Wald zu filmen. Das Dorf, seine Wiesen und Felder haben noch den Charakter des Artifiziellen - hier verbindet sich die Bildästhetik mit der Erzählung -, der Wald jedoch ist wirklicher Wald. Gerade das einzufangen ist die Schwierigkeit. Die Bedeutung der Grenze zwischen Dorf und Wald wird durch die Erzählung aufgeladen, durch Bauten stärker noch markiert. In einigen Bildern wird ein Blick weniger riskiert als dass er gewährt wird: Vom Dorf zum Walde hin. Das Bild, welches mir in conlusio einfällt, ist das des Schaukelstuhls, der nicht mehr auf der Veranda steht, sondern eine eingeschobene Einstellung lang auf dem kurz gemähten Gras in Richtung des Waldes plaziert ist.

Von der Liebe habe ich nun ganz geschwiegen. Aber das muss man ja.

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