affirmation und widerstand

Be Kind Rewind / Abgedreht, USA 2007
Michel Gondry, Regie

Eine Studie über Kommunitarismus: It takes a village to film a film. Gondrys überanspielungsreicher, dabei wehmütiger Hardware- und Softspotfilm, in dem die Leute “Alone in the Dark” geschwedet haben wollen und die “JLG industries” das Bedrohungspotential stellen, sollte bei seinem Erscheinen auf einem Datenträger in die heimische Videothek einsortiert werden - immer griffbereit -, denn auch da gehört er hin.

“Die Lebensdauer eines einzelnen Films ist kurzfristig”, schreibt Rudolf Harms, “wenn er oft benutzt wird. Es muß daher das Bestreben sein, innerhalb dieser eng begrenzten Lebensdauer möglichst vielen Individuen jedesmal seine Werte mitzuteilen.

Diesen Massengenuß vermittelt das Lichtspielhaus. Insofern schließt sich der Film unmittelbar an die bisherigen Kollektivdarbietungen im Theater-, Konzert-, Vortrags- und Bildersaal an.

Dies Bestreben nach Massenzusammenschluß ist überhaupt ein Zeichen unserer heutigen Kultur. Sombart kennzeichnet diesen Zug treffend mit dem Ausdruck eines ‘Omnibusprinzips unseres heutigen Kulturdaseins’.

Zu erwähnen bleibt, daß der Film infolge seines kollektiven Charakters außerstande ist, etwa wie ein Buch nach Belieben aus dem Bücherschrank geholt und gelesen wird, jederzeit dem Einzelnen, der Bedürfnis darnach hat, vorgeführt zu werden. Die meisten Filme laufen einmal im ganzen Reiche, um dann auf immer in die Filmarchive zu wandern.” (Philosophie des Films, Leipzig 1926)

night tv journey

Es drängt mich wieder, in die Kiste zu greifen, und herzuzeigen, was sich finden lässt. Noch heute Nacht z.B. folgendes:

The Walking Dead / Die Rache des Toten“, ein wahrhaft anrührender und bewegender Film, mit einem Karloff, der in der Rolle des Toten sein Können und seine filmische Persona zu - in dieser Form - selten erfahrbarer Medienpräsenz verschmilzt, unter einer so knappen wie präzisen, so professionellen wie Schönheit ermöglichenden Regie Michael Curtiz’. Das, meine Damen und Herren, ist das Kino. 0.25 Uhr, 3sat.

Das nachtstudio zum Thema “Ist die Seele unsterblich? Rückkehr eines Phantoms” hat als Gast neben anderen Thomas Macho geladen, der - was ich einzig aus dem Erstaunen heraus und als Faktum anfüge - derzeit massenmedial recht ordentlich präsent ist. 0.30 Uhr, zdf.

Ein Ausblick auf morgen zeigt das folgende:

Nirvana“, vom auch nur halbwegs breiten Diskurs nahezu sofort und noch immer totalvergessener Simulationsfilm, Bladerunnerreflexion, Matrixvordenker, filmsoziologisches Sonderstellungskino und was weiß ich nicht alles. Mit Christopher Lambert als Programmierer Jimi und Diego Abatantuono als Solo, eine rührende Figur, d.h. er ist kein Mensch. Im Anschluss läuft “12 Monkeys”, womit sich immerhin der Sender als ausgesprochen klug erweist. Harry Rowohlt hatte mal mit Blick auf “Christophe” - so nannte sich Lambert für “Subway” - gescherzt, “wenn der mal bei Andrzej Wajda mitmachen darf, nennt er sich wahrscheinlich Krzysztof”. In diesem überwältigend klugen Film spielt sein Vorname - egal, wie geschrieben - tatsächlich eine Rolle, verlängert nämlich den Film passend in … unsere … Realität. 20.15, tele5.

Wer Onan abschwören, aber John Barth nicht lesen will, der höre und sehe, wenn Günter Kamp über das Leben der Spermien spricht. 0.35 Uhr, rtl.

ein tag im leben eines bücherkäufers

Manchmal fügt es sich. So kann es sein, dass Büchermarkt als auch Flohmarkt samt Bücherstand auf einen Tag fallen. Das Ergebnis: Bücher schleppen. Ich mach’s kurz. Und ich wünschte, die folgende Liste dürfe ein wenig auch als Portrait ihres Abtippers gelten.

Alfred Behrens, Gesellschaftsauweis. SocialScienceFiction
Lothar Bisky, The show must go on. Unterhaltung am Konzernkabel: Film, Rock, Fernsehen, neue Medien
Jörg Drews (Hg.), Herbert Achternbusch
Lotte H. Eisner, Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Memoiren
Günter Figal (Hg.), Begegnungen mit Hans-Georg Gadamer
Sigmund Freud, Darstellungen der Psychoanalyse
Gottfried Gabriel, Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Von Descartes zu Wittgenstein
Abdussalam Gussejnow, Streit mit sich selbst
Peter Hacks, Schöne Wirtschaft. Ästhetisch-ökonomische Fragmente
Hermann Hesse, Siddharta. Eine indische Dichtung
Volker Klotz, Abenteuer-Romane. Eugène Sue, Alexandre Dumas, Gabriel Ferry, Sir John Retcliffe, Karl May, Jules Verne
Wolfgang Koeppen, Die elenden Skribenten. Aufsätze
Vlado Kristl, Sekundenfilme
Klaus Modick, Das Stellen der Schrift. Essays
Oskar Negt, Kindheit und Schule in einer Welt der Umbrüche
Oskar Pastior/Francesco Petrarca, 33 Gedichte
Fritz J. Raddatz, Die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher
Michael Rutschky, Lektüre der Seele. Eine historische Studie über die Psychoanalyse in der Literatur
Michael Rutschky (Hg.), Errungenschaften. Eine Kasuistik
Jörg Schröder (Hg.), Mammut. März Texte 1 & 2. 1969-1984
Georg Seeßlen, Kino der Gefühle. Geschichte und Mythologie des Film-Melodrams
Jonathan Swift, Betrachtungen über einen Besenstiel
Françios Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?
Martin Walser, Erfahrungen und Leseerfahrungen
Robert Walser, Fritz Kochers Aufsätze
Ulrich Zwiener, Reimund Seidelmann, Karl Schmitt, Christel Fenk (Hrsg.), Gegen Extremismus und Gewalt. Aktuelle Analysen und Schlußfolgerungen

Dazu Geschenke.

black box usa

Young Warriors, USA 1983
Lawrence D. Foldes, Regie

Das Recht des Opfers auf Bestrafung des Täters - als Problem. Neben der soziologischen Schiene gibt es in Foldes’ Film den mythischen Grund, der - was die Selbstreflexion des Films bestätigt - von der Jagd nach einem Ungeheuer spuckenden schwarzen Drachen handelt. Die Jäger bemerken erst, als es zu spät ist, dass sie mit ihrer Mission keinen Erfolg haben können, es sei denn, der Erfolg wäre, selbst verschlungen zu werden - und danach sieht es aus. Die Konfrontation der Soziologie der Gewalt mit der Psychologie der Rache führt zur Aufhebung. Das Anrufen der Eltern hilft rein gar nichts, verklingt ungehört, gleich den Rufen der Partnerinnen. Ein ganzer Jahrgang junger, vitaler Kerle geht den Bach runter, denen Vietnam doch eigentlich nur ein fernes Rauschen war. Rebel without or with a cause macht keinen Unterschied.

Man reagierte allzu blasiert, würfe man “Young Warriors” so etwas wie ‘inszenatorische Mängel’ vor. Vor welchem Spiegel fordert man wahrhaftige Plastizität? Von der Bedeutungsfülle der Küste wird dieses geradezu abstrakte Artefakt umsäumt, das noch in seinem Abspann mehr Überraschungen bereithält als sonst ganze Filme.

dummytiere

Der ADAC hat Crashtests durchgeführt, um die Sicherheit von Tieren in Fahrgastzellen zu überprüfen als auch die Möglichkeit, dass diese zum Geschoss werden. Diese Nachricht durchweht in derzeit die Medien. Aber auch die Frühjahrsausgabe des “Dummy” ist jetzt erschienen und den Tieren gewidmet.

“Wir sind reich bevölkert”, dieser Satz aus einem Beitrag über Parasiten drückt aus, was das ganze Heft bestimmt: Der Mensch kann vom Tier nur sprechen vom Menschen aus. Er kann sich aber wiederum darüber seine Gedanken machen. Die Vielfalt der Annäherungen, die das Heft durchzieht, wie auch der nie geringe Reflexionsgrad der einzelnen Beiträge haben das verinnerlicht und sind darum bemüht, es zu transportieren. Ein “Gesellschaftsmagazin” zu den Tieren: Es hätte besser kaum verwirklicht werden können.

Ein wenig aus dem Inhalt: Ein Gespräch mit Thomas Macho geht im Galopp durch die Tierkulturgeschichte. Eckhard Fuhr äußert sich, um Bedachtsamkeit bemüht, einmal mehr über die Jagd. Andere Texte blicken auf das Einsetzen des Tiers im Krieg, als Substitut für den feigen Menschen und die teure Maschine, oder fragen, “warum die Spanier so ein krankes Verhältnis zu Tieren haben”. Um die Spannweite der Beiträge aufzuzeigen: Ein weiterer Bericht widmet sich Billy, dem Schäferhund auf der Tiersex-Party, ein anderer versucht, die Liebe der Mädchen zum Pferd zu klären. Schautafeln lockern den Gang durchs Heft auf, sind dabei so aufreizend wie klug. Fotostrecken ergänzen die Lektüre der Texte um eine Aufklärung des Blicks.

Eine derart vollständig interessante und gelungene Ausgabe, deren Vielfalt aus einem Guss ist, gibt es im Zeitschriftendschungel selten. Mein Anraten könnte drängender kaum ausfallen.

geh und sieh

In der Nacht von Montag auf Dienstag um 03:20 auf 3sat läuft

Geh und sieh
(Idi i smotri)
Spielfilm, UdSSR 1985
Regie: Elem Klimow
(russische Originalfassung mit Untertiteln)
(teilweise schwarzweiß)
Länge: 137 Minuten

Ergänzungen:

die konferenz der netze

Ab heute läuft die re:publica 08. Was sie ist. Und was sie (gewesen) sein wird.

Die Mainzer Tage der Fernsehkritik waren gestern.