“… in perpetual motion …”

The Darjeeling Limited, USA 2007
Wes Anderson, Regie

Am Ende hatte er mich dann doch.

“samples? mmmh!”

Stagecoach / Höllenfahrt nach Santa Fé / Ringo, USA 1939
John Ford, Regie

Eine kleine, gemischte Gruppe passiert per Postkutsche auf dem Weg von einem Ort zum anderen das Monument Valley. Verschiedene Aufgaben sind zu bewältigen, ein Fluss muss überquert, ein Indianerangriff bestanden werden. Von den Dynamiken innerhalb der Gruppe ganz zu schweigen.

Die Pferdestunts sind erstaunlich. Sie alle sind nach dem gleichen Muster ausgeführt: Im Vorwärtslaufen brechen die Pferde vorn ein, schlagen ein Rad, verlieren dabei die Reiter, beenden die Figur im Stand. Diese Dynamik hat Fords Kamera mehrere Male komplett eingefangen, nur einmal kommt der Schnitt zu früh. Überhaupt hat “Stagecoach” viele Schnitte. Umso gravierender wirken Einstellungen, die auf Gesichtern verweilen. Von diesen Portraits gibt es einige. Ein imposantes zeichnet Ford darüber hinaus vom Monument Valley, sein erstes; die Gesteinsformationen am Boden kontrastieren mit denen der Wolken. Was die Innenräume angeht, wird ähnlich verfahren: Hier steht das schlichte Fond der Kutsche mit seinen notwendigen Nah- und Großaufnahmen den diffizilen Raumkonstruktionen innerhalb der Gebäude gegenüber.

Diese Weite ermöglicht Bewegungen auch den Figuren, die von ihren Schauspielern nur schwer zu trennen sind. Den meisten gegenüber ist zumindest Respekt angebracht, einigen Hochachtung, anderen Zuneigung. Wenn Leute in “Stagecoach” keine Individuen sind, sondern innerhalb einer Gruppe auftreten, treten sie damit zurück, werden Karikaturen (wie die ‘werte Damenschaft’ oder die Kavallerie) oder funktionalisiert (wie die Indianer oder die Amüsiermeute). Das kann ich kaum anders denn als Einstellung am Fokus verstehen (und dabei den filmtechnischen Aspekt der Metapher betonen), denn ich kann grundsätzlich nicht anders, als “Stagecoach” mit einer Mischung aus Anerkennung und Zuneigung zu begegnen.

Auf eine Katze wird geschossen. Sie kommt davon.

zu welchem ende fragt man: was ist literatur?

An der Friedrich-Schiller-Universität Jena findet derzeit, und noch bis zum Ende des Sommersemesters, eine Ringvorlesung statt zum Begriff der Literatur. Diejenigen, die sie besuchen möchten, finden auf der Seite der Vorlesungsreihe die Orte und Zeiten; diejenigen, die sie nachvollziehen möchten, können ebenda die Thesenpapiere zu den bisherigen Terminen einsehen.

“they sure don’t make pictures like that anymore” - do they?

The Omega Man, USA 1971
Boris Sagal, Regie

Dieser Eintrag könnte anspielungsreich auch heißen: “Die Antiquiertheit des Menschen”, oder wortspielerisch: “A manson family of man”, oder diskursorientiert: “Nach dem Bakterienkrieg”.

“The Omega Man” entkoppelt die Thematik des Biokrieges von seinen gesellschaftlichen Implikationen. Weniger steckt hinter dem last man on earth der Ausschluss von anderen - der Film funktionierte ja gar nicht, kämen da nicht noch welche hinzu -, vielmehr betont dieser Ausdruck den Fokus auf einem Mann, sein relatives Alleinsein in den Eröffnungssequenzen und sein loner-Sein überhaupt. Und es betont dessen Einzigartigkeit und Auserwähltheit. Der Omega wird der Alpha sein.

Die Auswirkungen des Bakterienkrieges sind die Grundlage für die Erzählung des Films; sie könnte auch eine andere haben. So hat auch die Suche nach dem Serum schlichte b-movie-Qualitäten.

Das Aufbruchsszenario, das sich früh andeutet - eben weil man den topos kennt -, ist das von der Kinderschar. Was seine religiösen Anspielungen angeht, die sich schließlich als das Thema des Films herausstellen, da geht hier einiges durcheinander. Entweder hätte ich es mir anders gewünscht, oder aber ich habe nicht genug investiert, das halbwegs konsistent verstanden zu bekommen. Andererseits ist dem “Omega Man” an Konsistenz nicht viel gelegen. Das scheint mir die Reibung zu begründen, die sich in der “Omega-Man”-Rezeption zeigt: Sagals Film hat, da er von Mathesons Roman ausgeht, viel gewonnen. Weil er seinen Einsatz nicht konzentriert ausspielt, verliert er viel. Anders gesagt: Die Faszinationskraft, die “The Omega Man” tatsächlich ausstrahlt, liegt im Stoff, nicht im Film begründet.

Die erste Matheson-Verfilmung mit Vincent Price habe ich nun nicht mehr gesehen; in die bald anlaufende dritte setzte ich Hoffnungen.

“radio’s wrong.”

1941 / 1941 – Wo bitte, geht’s nach Hollywood?, USA 1979
Steven Spielberg, Regie

Wie bei einer Tankstelle ein Funke ausreicht, sie letztlich in die Luft zu sprengen, so genügt in Kalifornien kurz nach Pearl Harbor ein verirrtes japanisches U-Boot, oder weniger noch (oder mehr): ein schwelendes Gerücht, um schließlich eine halbe Stadt in Schutt und Asche zu legen. Interceptor Commander Sam Fuller (”The Big Red One”, 1978/80) bringt es auf den Punkt: “Scheiß auf Sichtinformationen - das sind Japse!”

“Krieg der Welten” in Los Angeles. Irgendwann ruft tatsächlich einer: “Die Marsmenschen sind da!” Von einem Mann (Ned Beatty) heißt es, er sei verrückt geworden, weil er ein japanisches U-Boot hat auftauchen sehen. Doch gerade das stimmte. Wild Bill Kelso/John Belushi ist ein anderer “Verrückter”. Bei ihm, dem Jagdpiloten, trifft diese Zuschreibung jedoch grundsätzlicher. Dem Familienvater Beatty haben sie das Unheil bringende Geschütz aufgezwungen und in den Vorgarten gestellt; Belushi muss sich seinen Flieger redlich verdient haben. In einer schönen Szene zeigt sich: Er und Colonel “Madman” Maddox (Warren Oates) verstehen einander.

“It’s a mad, mad, mad world”. Es geht drunter und drüber. Ein U-Boot und zwei Flugzeuge sind die beweglichen Helden des Films. Letztere schmieren ab und als das japanische U-Boot abtaucht und gen Heimat zieht, da kann ein junger Amerikaner nicht anders und muss dies als Sinken verstehen. (Als aber die Sonne aufgeht über der Stadt, so will dieses Bild - wie mir scheint - an die japanische Kriegsflagge erinnern.) Zwei Mädchen brechen durch den aufgespannten Teppich und fallen in die Grube, ein Panzer versinkt im Meer. Das Mischwesen, ein fahrbares Geschütz, wird vom eigenen Rückstoß in ein Gebäude geschoben. Ich glaube, es war die Garage. Der abgefeuerte Schuss hingegen war durchs Wohnzimmer gegangen. Das fest Stehende/Feststehende gerät in Bewegung: Das Riesenrad und ein Haus fallen aus der Rolle, aus dem Rahmen und ins Wasser. Das sind Teile des Geräte-Arsenals von “1941″. Ein Kino, das heil bleibt, gehört auch dazu. Darin rührt Disneys fliegender Elephant “Dumbo” den General zu Tränen, während draußen schon der Tumult tobt.

Eine Heerschar bekannter Schauspieler ist nötig, um dieses Unheil anzurichten. In ihrer Verschiedenheit ergänzen sie einander; die jeweiligen Qualitäten werden so ausgespielt, dass maximaler Bruch erreicht werden kann. Dieser in Destruktion gewendete Aktionismus ist nicht die einzige Qualität des Films. Die komödiantische, die popkulturelle, die anspielungsreiche ergänzen das Bild. Anders als bei Stanley Kramers wilder Schatzsuche ist hier das Ganze nicht mehr als die Summe seiner Teile. Doch derer sind viele.

filmportrait einer stadt

Kann es das Portrait einer Stadt ergeben, wenn man sich anschaut, welche Film noch immer in deren ältestem noch bestehenden Kino laufen? Das Capitol Jena zeigt diese Kinowoche:

am Montag,
17.15 “Good Bye, Lenin!”
20.00 “Das Leben der Anderen”

am Dienstag,
22.30 “Sin City”

am Mittwoch,
20.00 “Jena Paradies”.

stummfilm

Willy Sommerfeld ist tot -

Ulrich Gregor und Daniel Kothenschulte - zwei, die sich auskennen - schreiben über den Komponisten.

zeit-fenster

Es ist keine geringe Nachricht. Nachdem die “Zeit” schon vor einiger Zeit Teile ihres Archivs, das bis 1946 zurückreicht, online gestellt hatte, ist dieses nun erweitert worden. Was die Bedienerfreundlichkeit angeht als auch die Textfülle setzt es Maßstäbe. Ich verzichte darauf, an dieser Stelle erste Fundstücke zu verlinken; damit käme ich zu keinem Ende und jeder soll selber entdecken, was ihm gefällt - der Möglichkeiten sind genug.

springen und schwimmen in italia

Viaggio in Italia / Reise in Italien, Italien/Frankreich 1954
Roberto Rossellini, Regie

Um es so zu sagen: Ich habe “Viaggio in Italia” zum ersten Mal gesehen, zwar leider nicht im Kino, jedoch von geliehener DVD. Das wirkte sich aus. Ich wechselte von der englischen auf die deutsche Tonspur und wieder zurück, ich skippte zurück, sah mir Bilder nochmal genauer an, überprüfte Beobachtungen, verglich die englischen mit den deutschen Dialogen, legte spätnachts schließlich eine Pause ein und verfuhr bei Wiederaufnahme wie am Tag zuvor. So sah ich den Film.

Ich konnte nicht anders. Das ist ja nun beileibe nicht mein Idealfilmschauverhalten. Aber auf diese Art und Weise musste ich mich vergewissern, dass diese ergreifende Reichhaltigkeit tatsächlich da ist. Darüber hinaus eröffnete diese, nunja, zerschossene Rezeption weiteres: Sie konnte nämlich “Viaggio in Italia” nichts anhaben, war dem Film vielleicht sogar angemessen. An Präsenz, an Sogkraft jedenfalls verlor er gar nichts, es war wie ein Schwimmen in Fülle, einer durch Schnitte oder Schüsse unteilbaren Substanz.

Jetzt muss ich mir die DVD doch noch kaufen, damit ich den Film immer wieder sehen kann, ein Leben lang. Denn genau dafür ist er gemacht, sein Kern ist das Verhältnis des Menschen zur Welt.

über aufschreibesysteme

Es mag sein, dass Leute auf diese Seite gelangen, weil sie sich im Netz nach Friedrich Kittlers Begriff des “Aufschreibesystems” erkundigen. Diese sollen nicht gänzlich enttäuscht werden. Daher das folgende.

Am klarsten hat Kittler es wohl 1986 in einem Aufsatz definiert: “Mit dem Terminus Aufschreibesystem, einem Wort des Senatspräsidenten Schreber, soll das Netzwerk von Techniken und Institutionen bezeichnet sein, das einer gegebenen Kultur die Entnahme, Speicherung und Verwaltung der für sie relevanten Daten erlaubt.”* Das war freilich ein Jahr nach Erscheinen des Buches “Aufschreibesysteme 1800/1900″. Hier wird auch zum ersten Mal angegeben, woher Kittler den Begriff hat, bzw. dass es sich dabei überhaupt um eine Übernahme handelt. Ein Jahr später, an prominenterer Stelle (im Nachwort zur 2. Auflage des Buches), sah es dann schon wieder etwas anders aus: “Das Wort Aufschreibesystem, wie Gott es der paranoischen Erkenntnis seines Senatspräsidenten Schreber offenbarte, kann auch das Netzwerk von Techniken und Institutionen bezeichnen, die einer gegebenen Kultur die Entnahme, Speicherung und Verwaltung relevanter Daten erlauben.”

* Friedrich Kittler, Über Aufschreibesysteme. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 3/1986, S. 3-8, hier S. 3.

** Friedrich Kittler, Nachwort. In: Ders., Aufschreibesysteme 1800/1900. 2., erweiterte und korrigierte Auflage. München 1987, S. 429-432, hier S. 429 (die Seitenangaben variieren in den späteren Auflagen).

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