medizingeschichte(n)

WDR 5 bietet die Sendreihe “Die Geschichte der Medizin” auch als podcast an. In zwölf Teilen geht diese unter genannter Prämisse über die Zeiten und Räume hinweg, greift aus nach nahe liegendem, wie Schmerz und Ekel, und nur scheinbar fernem, wie Recht und Religion. Eine gelungene Synthese zumal, denn es finden sich auch recht bedacht eingesetzte Hörspielelemente. Präsentation und Dokumentation sind nicht minder vorbildlich. Tipp!

godard,

Gespräch.

(Das Interview fand sich vorige Woche noch nicht online, Christian danke ich nun die Möglichkeit, doch noch darauf hinzuweisen.)

unsere kleine tankstelle

The Pertrified Forest / Der versteinerte Wald, USA 1936
Archie Mayo, Regie

Unser Schauplatz ist fast ausnahmslos eine Tankstelle in der Wüste Arizonas. Ein paar sind schon da, ein paar andere kommen hinzu. Bette Davis ist die Tochter des Eigners, Leslie Howard ihr plötzlich auftretender Schwarm, ein weitgereister, mittelloser Schreiber. Er bringt die weite Welt, geografisch und in Sachen Kunst. Humphrey Bogart, der Gangster, bringt den Konflikt und mit ihm die Beschleunigung. Er ist Amerika; Howard kennzeichnet seinen “rugged individualism”.

Die Herkunft des Films vom Theaterstück begründet seine klaren Konturierungen und Konstellationen, wir können auch von Setzungen und Differenzen sprechen. So kann Amerika unterschieden werden von Frankreich, der Strand von der Wüste, Football von Lyrik, Bogart von Howard. Kennzeichnend für das Drama ist auch hier, dass das eine das andere nicht ausschließt, sondern gerade die Schnittmengen und Verwischungen den Gehalt ausmachen. Das zeigt sich noch in Details der Inszenierung: Zum finalen Schusswechsel rücken Polizisten an, die ausnahmslos Cowboyhüte tragen, während Bogart und seine Bande die Tankstelle wie ein Fort oder eine Blockhütte verteidigen. Der alte Mann, dem die Geschichte seines Landes in den Knochen steckt und dem die Auskunftsfreude aus den Augen blinzelt, lässt seiner unglaublichen Geschichte von Jesse James die von Duke Mantee folgen.

Medien determinieren Kommunikation und begründen die moderne Gesellschaft, d.h. die Erzählung dieses Films. Eine Telegraphenleitung wird verlegt. Das Radio informiert passiv, das Telefon aktiv. Dokumente bergen und belegen. “The Pertrified Forest” ist heute bekannt für seinen ersten großen Bogart-Auftritt. Spannend ist daher, wie er im Film heraufbeschworen wird. In Etappen: Nachdem das Gerücht ausgerufen ist: “Duke Mantee kommt!”, sehen wir das Foto Bogarts auf der Titelseite der Zeitung, vom Alten hergezeigt als eine Beglaubigung. Der Auftritt Bogeys kann diesem Raunen zwar nur nachfolgen, doch ist es die Leistung des Schauspielers, dies auszuhalten und darüber hinauszugehen.

Am stärksten eingenommen wurde ich jedoch von Leslie Howards blendender Vorstellung, dieser ruhigen, hintergründigen, undurchschaubaren Art, und so versponnen lasziv. Bette Davis, die, was ich charmant finde, zwar die Gedichte François Villons sehr schätzt, aber nicht weiß, wie man den Namen ausspricht, ist eine Mademoiselle Bovary.

“The Pertrified Forest” basiert, wie gesagt, auf einem Theaterstück. In diesem spielten schon Howard und Bogart; Bogart gab seinen Duke Mantee, der so bedeutsam ist für vieles, was er on und off screen tat, noch einmal in einer Fernsehfassung, kurz vor seinem Tod und an der Seite Lauren Bacalls.

nachtgeschichten

Es beißt sich. Denn es ballt sich. Und es läuft die Zeit. Also los:

Mit “Der versteinerte Wald” beginnt der SWR heute Nacht eine Reihe mit Bogart-Filmen, die als solche zwar keine Seltenheit, aber auch diesmal wieder gern gesehen ist. Sie wird an den kommenden Sonntagmitternächten fortgesetzt. Genaueres und immer aktuelles gibt es hier. - Im Jahr seiner Entstehung zählte Borges “The Petrified Forest” “zu den dichtesten [Filmen], die ich je gesehen habe”. Wen das nicht beeindruckt, der kann und sollte sich von einem anderen state of mind überzeugen lassen. Wer dessen Eintrag gelesen hat, wird außerdem meine mannigfaltige Zuneigung zu Marcs Blog verstehen.

Märchen für Erwachsene” erzählt Eli Roth. Mehr sage ich nicht, lasse also die Mehrdeutigkeit dieser wenigen Worte absichtlich offen. (RTL, 0.25 Uhr)

Ich mache mir nichts vor: Die meisten werden diesen Film kennen, die meisten davon ihn schätzen. Dennoch verweise ich darauf: Wie es mir ein Zwang ist, das zu tun, mag es anderen einer sein, ihn wiederzusehen. Und ein Gruß an diejenigen, denen dieses außerordentliche Erlebnis noch bevorsteht. Ein Film wie wenige, ein einzigartiger Film; als ich ihn sah, wurde er mir unverzichtbar; Charles Laughtons einzige Regiearbeit, ein Solitär nicht allein darum: “The Night of the Hunter / Die Nacht des Jägers”. (ARD, 2.00 Uhr)

schöner mann mit bart

Umberto Eco lässt seiner “Geschichte der Schönheit” notwendigerweise “Die Geschichte der Häßlichkeit” folgen. 3sat nutzt die Chance, ihn darauf anzusprechen; Eco verwandelt. Das Gespräch ist ganz nur im Netz zu finden und zwar hier.

Ein zweiter Hinweis: Martin Andree, Autor einer großen “Archäologie der Medienwirkung“, hat für die “Welt” anlässlich des Amoklaufs in Tuusale einen Text zur Wirkung von Killerspielen geschrieben, endlich mal einer wie er. Das zu lesen geht runter wie Öl. Großartig!

Und eine persönliche Randnote: Daniel Kehlmann, von dem ich noch keine Zeile Belletristik gelesen habe, den ich für seine Sekundärarbeiten aber außerordentlich schätze und nicht allein dafür, hat den diesjährigen “Welt”-Literaturpreis bekommen. Das freut mich sehr, auch wenn man ihn sich im Axel-Springer-Haus abholen muss. Der Preis jedoch ist gut begründet und Willy Haas, in dessen Andenken er verliehen wird, war ein Guter.

tv-hinweise

Heute abend schon sendet 3sat erstmals Nikolaus Geyrhalters Dokumentarfilm über die Bedingungen der Bereitstellung der Lebensmittel für den Menschen “Unser täglich Brot” (3sat, 4.11., 21.15 Uhr).

Alexander Kluge hat sich wieder mit Joseph Vogl unterhalten, über Giacomo Puccinis Oper “Tosca” (RTL, Nacht vom 5. auf den 6.11., 0.35 Uhr) und über den Schurken (Sat.1, 11.11., 23.35 Uhr).

Nicht zuletzt möchte ich verweisen auf eine Seltenheit: Eine Sendung von “Literatur im Foyer” setzte geradezu einen Standard in Sachen wirkliches Vermittlungsinteresse, Ernsthaftigkeit, Gesprächssinn und Bestimmtheit. Das Thema lautet - und umso überraschender ist die Unaufgeregtheit - “Glauben heute” (3sat, 7. auf den 8.11., 4.10 Uhr).

reise im medienBlog

bekay gegen Hausarbeiten.de. Der gute Recke. Eine Arbeit, die er nun auf seiner Plattform bereitstellt, befasst sich mit “A Tale of Two Sisters”, eine andere mit Rossellinis “Viaggio in Italia”, freilich bei weitem nicht so trivial, wie ich es hier ankündige, sondern jeweils unter leitender Fragestellung und mit theoretischem Rüstzeug versehen. Das erzählt er aber besser selbst in kleinen Paratexten, die überdies mit Kontexthinweise angereichert sind.

bekay schaut aber auch andere schöne Filme und schreibt ebenso darüber. Wem das immer noch nicht genügt, dem erlaubt das unter gleichem Dach bereitgestellte Register systematischen Zugriff auf die Filmtagebücher der filmforen. Und noch mehr gibt es zu entdecken, doch werd’ ich mich hüten, hier alles hinzuschreiben, das hält ja nur auf …

das verbarrikadierte dorf

The Village, USA 2004
M. Night Schyamalan, Regie

Ich konne es nicht lassen und wollte doch wenigstens mal reinschauen in die TV-Premiere von M. Night Shyamalans “The Village”, der mich schon im Kino so gefangen genommen hatte. Reinschauen, na klar. Natürlich kam ich nicht mehr davon los.

“The Village” ist ein Faszinosum von einigem Rang. Wie ich jetzt, einen Tag später, feststelle, ist es kein Film, der einen für Tage oder länger erfüllt. Das kann er gar nicht sein, zu vielen An-Sichten bietet er sich an. Was auch heißt, dass er durch Denken erschlossen werden muss, wenn die bannende Wirkung des ersten Mals verflogen ist. Die ist schaurig schön, und auch diesmal, trotz allen Wissens, hat der Film feine Härchen auf meinem Körper zu stimulieren gewusst.

Man begibt sich in “The Village” hinein. Es gleicht einer Gefangennahme, bietet aber Aussichten, die man draußen nie so konzentriert bekommen könnte, begleitet von einer unglaublich schönen Musik James Newton Howards. Man ist ein ausgesprochen priviligierter Beobachter, wenn man sich Shyamalans Film besieht. William Hurt - nur einer des ausnahmslos blendeneden Ensembles - spielt einen der Dorfältestens und einen Lehrer. Die Schichten der amerikanischen Geschichte sind durchwachsen mit Theorien zur Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, des Zusammenlebens, der moralischen Ausrichtung, der Bindung an die Natur, an die Instanzen, usw. usf. Viel davon konstituiert das, was wir “Americana” nennen. Die Geschichten der Schauerromantik gehört ebenso dazu wie, nicht zuletzt, das Kino. Dem Film glaubt man erst einmal alles. Nur darum kann “The Village” funktionieren, wie er intendiert ist. Umgekehrt beweist er seine Prämisse. Was hier so technisch klingt, ist Schönheit.

Der Titel dieses Eintrags verwandelt den Titel einer Kurzgeschichte von Ambroce Bierce. Natürlich passt er nicht ganz auf den beschworenen Film, erlaubt mir aber die Verbindung zu Bierce und die wiederum ist nicht weit hergeholt. Dessen Geschichte behandelt ebenso wie Shyamalans Film die (Nicht-)Grenze der Kultur zur Natur, die besondere Konstitution der Menschen an dieser Grenze, Öffnungen von Gebäuden, aufgebahrte Menschen und die Farbe Rot. Von der amerikanischen Lebensgeschichte Bierces und dem Blockhausmotiv in der amerikanischen Literatur und dem Film dieses Landes sei noch keine Rede … - Fast möchte ich sagen, “The Village” sei wie eine Probebohrung durch amerikanische Schichten, welche Momente von fast allem offenlegt und qua Ausschnitthaftigkeit vielfältige Verbindungen erlaubt.

Nicht zuletzt sei erwähnt, der große Kameramann Roger Deakins hat es hier wie wenige verstanden, Wald zu filmen. Das Dorf, seine Wiesen und Felder haben noch den Charakter des Artifiziellen - hier verbindet sich die Bildästhetik mit der Erzählung -, der Wald jedoch ist wirklicher Wald. Gerade das einzufangen ist die Schwierigkeit. Die Bedeutung der Grenze zwischen Dorf und Wald wird durch die Erzählung aufgeladen, durch Bauten stärker noch markiert. In einigen Bildern wird ein Blick weniger riskiert als dass er gewährt wird: Vom Dorf zum Walde hin. Das Bild, welches mir in conlusio einfällt, ist das des Schaukelstuhls, der nicht mehr auf der Veranda steht, sondern eine eingeschobene Einstellung lang auf dem kurz gemähten Gras in Richtung des Waldes plaziert ist.

Von der Liebe habe ich nun ganz geschwiegen. Aber das muss man ja.

go, pat!

The SpongeBob SquarePants Movie / Der SpongeBob Schwammkopf Film, USA 2004
Stephen Hillenburg, Regie

Spongebob hat kein so ausdifferenziertes Universum wie das der Simpsons aufzubieten, aber auch in diesem ersten Spielfilm treten einige relevante Serienfiguren in den Hintergrund. Doch keiner bleibt zurück. Bei den Simpsons hat das freilich ganz andere Dimensionen, d.h. vollere Bilder, die den Ensemble-Postern gleichen. Die verbleibenden haben eine Funktion in dieser einen, wenn auch längeren Erzählung, neue Handlungsträger kommen hinzu.

Nach dem, was ich von der Serie kenne, ist es die grandioseste Idee des Films, den Konflikt Kind/Mann zu seinem Kernthema zu machen. Spongebob kommt erst dazu, mit Patrick eine beschwerliche gefährliche Reise auf sich zu nehmen, um Neptuns Krone zurückzuholen, weil er beweisen will, dass er ein echter Kerl ist. Damit reflektiert der filmische Sonderfall die Serie und nimmt sich gleichsam auf außergewöhnliche Weise einem allgemeingültigen Thema an.

Eine so witzige wie herzliche Angelegenheit.

zwei himmelhunde mit vier fäusten

Mit der Diskussion des Chuck-Norris-Films “Hero” beschließen die Himmelhunde ihre Werkschau des Serienmörder-Actioners. Damit war auch letztmals Stefan vom SimulationsRaum als Gastdozent dabei.

Wenn Chuck Norris eine Tür verbaut hat, tritt er ein Fenster auf. In diesem Sinne erwartet uns demnächst, nachdem ein vierter Film schon abgedreht ist, in diesem Lieblingsblog: John Rambo. Die Ankündigung der neuen Retro ist mit “Die Herausforderung” überschrieben. Wohl wahr. Doch keine Sorge: Sie wird bestanden werden. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.

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